Unsere liebe Mutti, Oma, Tante, Cousine, Patentante und Freundin hat ihre letzte Reise auf Erden abgeschlossen. Ein langes, ereignisreiches Leben einer bemerkenswerten und starken Frau ist für diejenigen, die sie kannten, zu früh zu Ende gegangen ist - trotz ihres hohen Alters. Wir freuen uns über Eure Beiträge zu ihrem Gedenken.
Wir treffen uns am Freitag, den 19. August 2022, um 13.00 h in der Trauerhalle des Friedhofs in der Kirchstraße, 53797 Lohmar.
Ansprache zu Muttis Lebensfeier:
Auch im Namen von meinem Sohn Philipp begrüße ich Euch alle hier ganz herzlich. Wir freuen uns sehr, dass so viele den Weg hier nach Lohmar gefunden haben, um meiner Mutter und Philipp’s Großmutter die letzte Ehre zu erweisen.
Gerade haben wir gehört, dass alles seine Zeit hat und Muttis langes Leben hatte in der Tat seine ganz spezifischen Zeiten, mit Höhen und Tiefen, Herausforderungen und Freuden und ich möchte etwas Zeit darauf verwenden, ein bemerkenswertes Leben einer starken Frau nachzuzeichnen.
Aus meiner Sicht gibt es 5 Abschnitte in Muttis Leben:
- Muttis Kindheit
- Die Kriegs- und Nachkriegszeit
- Das Leben zusammen mit Dieter in Köln
- Der Umzug der Familie nach Lohmar
- Die letzten 20 Jahre nach dem Tode meines Vaters
Wenn Mutti von ihrer Kindheit sprach, bekam ich den Eindruck, dass ihre ersten Lebensjahre glücklich und behütet waren. Ich erinnere mich an Schwimmenlernen im Schlesiersee, wo die Familie meines Großvaters auch ein kleines Segelboot hatte, oder dass Muttis Großvater ihr Kartenspielen beigebracht hat. In diese Zeit fallen natürlich auch die Geburten von Muttis jüngeren Schwestern Thea und Erika und außerdem gab es viele Kinder in der Nachbarschaft, mit denen man spielen konnte. Unter anderem traf meine Mutter dort im Alter von 7 Jahren einen gewissen Dieter Schubert, aber darauf komme ich später noch zu sprechen.
Diese sorglose Zeit wurde durch den 2. Weltkrieg beendet. Muttis Vater war Berufssoldat und zog gleich zu Beginn ins Feld. Muttis Generation musste 4 Jahre danach schwer dafür büssen, was Deutschlands Führung damals verbrochen hatte. Es ging zum Ende des Krieges auf die Flucht nach Westen und Mutti musste mit ihren 13 Jahren viel Verantwortung übernehmen, um ihrer Mutter bei der Organisation von Transportmitteln, Unterkunft und Verpflegung zu helfen. Die Deutschen aus den Ostgebieten waren alles andere als Willkommen und so musste sie sehr schnell erwachsen werden, um mit Unsicherheit, Angst, Verzweiflung und einer ungewissen Zukunft umgehen zu lernen. Unter anderem verstarb ihr Großvater auf der Flucht. Es ist heute nur sehr schwer zu erfassen, wie schwer dies gewesen sein muss. Die Flucht endete in Augustusburg in Thüringen, wo Mutti auch ihre ersten langjährigen Freundinnen getroffen hat.
Wir sehen hier schon, dass diese Erfahrungen den Grundstock gelegt haben, was Mutti in ihrem späteren Leben ausgezeichnet hat: Mentale Stärke, ein starker Wille, niemals aufgeben, ein starkes Organisationstalent, niemanden zur Last fallen zu wollen und Verbindungen mit Familie und Freund zu pflegen.
In Augustusburg lief Muttis Schulklasse Gefahr, wegen Aufmüpfigkeit gegen die neuen Herren in der Ostzone ins Bergwerk geschickt zu werden - Mutti und ihre Schulkameradinnen waren halt ein Kind ihrer Zeit und sie erzählte mir einmal, dass es ihr damals am wichtigsten gewesen war, ihre BDM Uniform mit auf die Flucht zu nehmen. Daraufhin fasste ihr Vater den Entschluss, mit meiner Mutter zusammen in die Westzone zu gehen und den Rest der Familie später nachzuholen. Dies geschah in einer Nacht- und Nebelaktion und wiederum ist es schwer vorzustellen, wie Mutti mit diesen wechselnden Umständen als Teenager zurecht gekommen ist.
Im Westen angekommen gab es keine Chance mehr, die Schule zu beenden. Mutti musste hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ihr Vater drängte darauf, dass sie eine Ausbildung abschloss und so startete sie als Sekretärin bei Herrn Kohler in Duisburg. Dort erhielt sie eine so umfassend gute Ausbildung, dass sie es später bis zur Chefsekretärin bei Haus Baden gebracht hatte. Sie erzählte mir, wie man ihr am Anfang erstmal beibringen musste, wie man richtig professional telefoniert. Vom fehlerfreien Tippen mit der Schreibmaschine ganz abgesehen.
Aus den Ruinen des 2. Weltkriegs entwickelte sich bei Mutti, wie bei vielen zu dieser Zeit, die Hoffnung, ein eigenes Leben wieder aufbauen zu können. Und das kann man natürlich viel besser zu zweit - ich sagte ja, dass ich wieder auf Dieter Schubert zu sprechen komme. Trotz der Wirren des 2. Weltkriegs hatte auch mein Vater, der noch als 17jähriger Soldat geworden war, wieder zu seinen Eltern und darüber zu meiner Mutter gefunden. Jetzt standen sich hier nicht mehr ein 11jähriger und eine 7jährige gegenüber, die wohl noch nicht so recht wussten, was sie miteinander anfangen sollten, sondern zwei junge Erwachsene, bei denen der Funken übergesprungen war. Mit etwas Anschubhilfe von meines Vaters Mutter verlobten sich meine Eltern 1950 und heirateten 3 Jahre später.
Wir kommen jetzt zum nächsten Abschnitt, der gemeinsamen Zeit meiner Eltern in Köln. Auch wenn vor allem die ersten Jahre nicht einfach waren, so trieb meine Eltern der gemeinsame Wille, weiterzukommen und etwas gemeinsam aufzubauen voran. Ich erinnere mich an viele positive Geschichten aus dieser Zeit. Dies war auch die Zeit, in der neue langjährige Freundschaften aufgebaut wurden, die durch viele gemeinsame Feiern und Unternehmungen gestärkt wurden. Urlaub wurde gerne in Zermatt und in Livorno gemacht.
Das einzige, was zum vollständigen Glück bis dahin noch fehlte, waren Kinder. 1968 war es dann schließlich so weit - in Köln auf Rosenmontag. Was lange währt wird endlich gut - hoffe ich mal.
Mein Vater sagte gerne, dass sein Leben als Mann ausgefüllt war, nachdem er einen Stammhalter bekommen und er einen Baum gepflanzt hatte. Letzteres geschah 1972/3, als meine Eltern den Entschluss gefasst hatten, Köln zu verlassen und ein eigenes Haus in Lohmar zu bauen. Hier zeigte sich, wie ideal sich meine Eltern ergänzten und ihre Kölner Freunde es so trefflich zusammengefasst haben: Uschi hätt n Idee, ever mache muss es immer de Dieter! Mutti organisierte, hielt das Geld zusammen und hatte Ideen, während mein Vater vollständig darin aufging, Muttis Ideen umzusetzen.
Unser Haus in der Südstrasse 12 mit seinem Garten wurde das Zentrum für unsere Familie. Meine Eltern hatte viel Freude, es weiterzuentwickeln. Mutti hatte vor allem ihre Freude an dem Garten, der klar ihre Handschrift trägt, auch noch über ihren Tod hinaus. Ihr Talent mit Pflanzen und Blumen aller Arten umzugehen, war legendär.
Auch in solch glücklichen Zeiten schlägt das Schicksal zu. Nachdem das Haus aus dem Gröbsten raus war, brannte es bei uns. Mein Vater war verzweifelt als er sah, wie seine Arbeit zerstört wurde. Es war Mutti, die gleich wieder in den Problemlösungsmodus ging und ihn damit tröstete, dass wir jetzt die Chance habe, all das, was uns noch nicht gefallen hatte, zu verbessern. Wie gesagt, Aufgeben gab es für Mutti nicht.
Zu Beginn wohnten noch meine Oma väterlicherseits und natürlich ich mit meinen Eltern zuhause. Meine Oma starb1986 und ein Jahr später ging ich zum Studium nach Aachen. Man sagt so schön, wenn die Kinder aus dem Haus sind, beginnt das Leben und so hatten meine Eltern noch schöne 15 gemeinsame Jahre in Lohmar bis mein Vater 2002 verstarb.
Wir kommen jetzt zum 5. Abschnitt und ich finde, dass dies die Lebensphase ist, in der Mutti in vielerlei Hinsicht über sich hinausgewachsen und ein Vorbild geworden ist.
Mutti musste mit 71 Jahren nach dem Tode meines Vaters ihr Leben neu organisieren und ordnen. Alles das, was mein Vater gemacht hatte, musste entweder sie selbst nun übernehmen, oder sie musste es anderweitig organisieren. Und das hat sie sehr erfolgreich gemacht. Mutti fing wieder an Auto zu fahren. Und selbst nach Rückschlägen - ich erwähne hier nur, dass sie den Wagen von meine Vater auf Geländetauglichkeit geprüft hatte - gab sie nicht auf und eroberte sich ihre individuelle Mobilität. Was im Garten nicht mehr selbst gemacht werden konnte, dabei liess sie sich helfen. So auch im Haus. In den letzten 20 Jahren hat Mutti ein Netzwerk aufgebaut, das sie in jeder Lage unterstützen konnte. Das liess nun Freiräume für andere Aktivitäten: ob es ein Englisch- oder Malkurs war, Mutti hat sich mit viel Elan und Freude daran begeben. Auch die Tatsache, dass sie in ihren 80gern mit großer Freude die Vorteile eines Smartphones zu nutzen wusste und aktiv whatsapp und FaceTime nutze, muss hier gewürdigt werden. Und bei all diesen Aktivitäten, sorgte sie dafür, dass sie stets chick und adrett angezogen war, von ihrer Frisur und Fingernägeln ganz zu schweigen. Selbst als sie zuletzt im Krankenhaus lag, haben die Schwestern gleich bewundern gesagt, dass meine Mutter eine Dame wäre.
Mutti hat mit 91 Jahren ein stolzes Alter erreicht, viel er- und durchlebt. Ihr starker Wille blieb Ihr bis zum Ende.
Ich möchte mich hier auch noch einmal ganz persönlich bei Dir dafür bedanken, Mutti, dass Du Dich nicht einmal beklagt hast, dass ich mein Leben vielfach weit weg von Dir geführt habe. Du hast meine Lebensplanung akzeptiert und mich immer dabei unterstützt, mein Leben so zu leben, wie ich es für richtig empfunden habe. Dafür bin ich Dir sehr dankbar.
Wo ich gerade dabei bin, Danke zu sagen. Es gibt sehr viele hilfreiche Hände, die Mutti und auch mich tatkräftig unterstützt haben, die letzten Tage für Mutti so angenehm wie möglich zu gestalten. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Mutti war immer ein sehr spiritueller Mensch und auch wenn sie jetzt körperlich nicht mehr bei uns ist, so bin ich sicher, dass sie weiterhin um uns sein wird.
Als mein Vater vor 20 Jahren gestorben ist, haben wir folgende Bitte von Henry Scott Holland erhalten, die aus meiner Sicht auch bestens für Mutti passt.
Der Tod ist nichts, ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht keine andere Redeweise, seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich,
betet für mich, damit mein Name ausgesprochen wird, so wie es immer war,
ohne irgendeine besondere Betonung, ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Weshalb soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein, nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges.
Henry Scott Holland (1847-1918)
So werden wir das machen, liebe Mutti!
Alexander Schubert
Liebe Oma,
auch wenn Du jetzt nicht mehr bei uns bist, hoffe ich, dass Du an einem wunderschönen Ort bist und dort von vielen Dingen umgeben bist, die Du liebst. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass Du auch weiterhin um uns sein wirst und uns beschützt.
Wir lieben Dich, Oma!
Philipp Schubert